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Schönheit als Begabung
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Schon von Anfang an ist zu erkennen, dass sich STJEPAN IVANEC für den Raum interessiert, in dem er sich neugierig, forschend bewegt, umhertastet, doch schon seine ersten künstlerischen "Beschreibungen" sind so frei und atypisch, dass die wirkliche Topographie (demzufolge diese Lokalkolorite, Landschaften und Szenen der PODRAVINA, dem Drauland, angehören würden) in den Hintergrund trat zugunsten einer surrealistischen optischen Fuge. (Eines seiner Bilder aus dem Jahr 1983 nannte Ivanec, sehr präzis, "TRAUMLANDSCHAFTEN", und das ist vielleicht die beste Bezeichnung für seine spezifischen Mixturen.) In diesem Zusammenhang halte ich nicht für besonders relevant die Bemerkung, dass sich Ivanec "mit der Weite des drauländischen Bodens und den Menschen, die auf ihm leben" befasst. Der Terminus ,,Symbolisierung" oder ,,symbolische Kondensation"  wäre hier ungleich besser geeignet.

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Und von der heimatlichen Unterlage könnte man (vielleicht) auf der Grundlage des Tonregisters sprechen, das, wenngleich reduziert, ziemlich getreu den "Farben in der Natur" folgt. Wir möchten deshalb bei unseren schon vor langer Zeit niedergeschriebenen Beobachtungen bleiben, dass Ivanec eine ,,verinnerlichte, typisierte Landschaft" (inner reality) malt und dass er sich dabei einer "ausgesuchten und harmonisch abgestimmten Palette" bedient. ) Ebenso lenken wir noch einmal die Aufmerksamkeit auf die bereits festgestellten "sphärischen Aberrationen und die hypertrophierte Pflanzenwelt", die Ivanec zur Erreichung einer atmosphärischen bzw. linearen Perspektive benützt, wobei einem (bedingt gesprochen) Rangerschen Illusionismus ähnliche Effekte entstehen.
Der Kunstkritiker V. Crnkovic  unterteilt weiterhin Ivanec' Malerei (nach seinen Motiven) in Stilleben und vielschichtige Kompositionen allegorisch-phantastischen Charakters.

 

 

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Bei den Stilleben beeindruckt Ivanec' Gefühl für Harmonie, eine feine Farbabstimmung, und obgleich es sich in der Regel um verkleinerte Formen (Früchte, Gefäße, Gegenstände) handelt, erzielt er mit der Verteilung des Schattens und der Kombination der Verhältnisse immer auch die gewünschte Plastizität. Ein kleiner technischer "Trick" - der Blick durch das offene Fenster in die Tiefe der Landschaft - lässt sich beinahe schon in die Besonderheiten, Erweiterungen des (schon recht eingeschränkten) malerischen "Wortschatzes" einreihen, den die podravinischen naiven Künstler gebrauchen. Das gleiche trifft auch für Ivanec' "schwebende" Dörfer in Kürbishälften oder auf Seerosenblättern zu oder für die scheinbar geringfügige und doch so erfrischende, inventive Verschiebung - wenn sich diese gleiche Landschaft im Verhältnis zur "Basis" des Bildes und zur Szene im Vordergrund umkehrt.
Kompositionen allegorisch-phantastischen Charakters sind bisher (nach der Zahl der Arbeiten) ein erst angedeutetes Segment der Malerei von Ivanec, doch scheint es, dass sich gerade durch sie seine weitere Reifung beweisen wird: ihm steht noch viel geduldiges Sammeln von Material aus der oneirischen Schicht bevor, das Greifen nach historischen oder literarischen Quellen, Nachdenken über Motive, schrittweise Lösungen u. ä., doch schon jetzt können wir sagen, dass es dieser Maler verstehen wird, diese ziemlich schwierige und umfangreiche malerische Herausforderung in Angriff zu nehmen. Was wir bisher gesehen haben ("Die Podraviner bauen den Turm von Babel", "Dante in der Podravina") ist vielleicht nicht im wörtlichen Sinn eine naive Sicht der Dinge, aber es ist zweifellos ein Gewinn für diese Kunst, der wir keine Grenzen setzen sollten, wenn wir ihr einen freien Flug in die Imagination ermöglichen wollen und die Früchte der Schönheit abzuwarten bereit sind, mit denen uns die Naive von ihren Anfängen an selbstlos überschüttet und beschenkt.

(Bozica Jelusic, 1993)
 
 Ivanec Weg zum Licht
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Am liebsten malt er, wenn das silberne Mondlicht die Landschaft des Drautals erhellt und das immer-wiederkehrende Heulen der Hunde durch die Nacht tönt. ...
Versteckt und verborgen, vor allem in der Stille der Nächte, spinnt er in nimmerermüdenden Gedanken ein feines Netz um seine noch nicht geborenen Bilder. In solchen Nächten entstanden die Bilder wie "Babelturm" mit dem charakteristischen Kopf von Gerhard Ledic, "Brot für die ganze Welt" , "Dante in Podravina". So gute und ausgefallene Ideen kann man nur in der Nacht, konfrontiert mit dem eigenen Schatten, neben dem flackernden Holzfeuer, ausbrüten. Das Entstehen eines Bildes dauert bei Ivanec viele, viele Nächte, die Ideen kommen und zerfallen. Beim ersten Hühnerschrei stöbert er noch in seinen Gedanken und niemals ist er fertig und zufrieden. Immer ist er auf der Suche nach etwas Neuem. Ehrgeizig schlummert er in den Tag hinein und in Schlaftrunkenheit macht er die ersten Pinselstriche auf dem Glas. "Bilder sind wie die Frauen", sagte mir einmal Stjepan Ivanec. "Wichtig ist es immer richtig zu beginnen. Desto länger ich spiele an einem Bild um so schöner und wärmer wird es".
Man erkennt all die zärtlichen Striche seines Pinsels, die in der Dunkelheit begonnenen Farben werden mit Einbruch des Tages leuchtender. Und dann dort, weit dort in der Tiefe des Horizontes, wo auch ich als Kind gerne spielen wollte, dort wo sich Tag und Nacht begegnen, wo sich Sonne und Mond begrüßen, dort spielt sich Stjepan Ivanec Fantasie von Beginn und Ende, von Auferstehung und Niedergang der Welt ab.

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Dort explodieren seine künstlerischen Träume: Die Sehnsucht nach Licht, nach Gerechtigkeit für alle. Ein Lichtbrunnen entsteht, der alle dunklen Seelen der Menschen erleuchtet und man hat das Gefühl, dass sei Mitte und Ende der Welt. Jeder von uns möchte unbedingt dort gewesen sein. Aber der Weg dorthin hat tausend Wege, die sich wie kleine grüne oder blaue Schlangen durch die Landschaft ziehen. Von all diesen Wegen aber führt nur einer zum Ziel, in die Mitte des Bildes, ins Zentrum des Lichts. Aber auch die Bauern in Gruppen mit Wagengespanne oder in der Kälte auf dem Eis arbeitend, tun sich sehr schwer den richtigen Weg zu finden. Das Licht in der Tiefe des Bildes gibt ihnen aber Zuversicht und Vertrauen. Viele von uns haben einen ähnlichen Weg gesucht.
Ich kenne einen der hat ihn gefunden: Stjepan Ivanec.

( Luka Basic, Wien 1984)

Stjepan Ivanec
oder vom Leben als Schauspiel

Hof und Garten des Ivanec'schen Anwesen in der Podrawina münden in jene große Ebene, die der familienerhaltende Malerspross zwischen Vordergrund und Himmel seiner Bilder lagert. Hinter den Figurenszenen, hinter den Häusern und Bäumen im Nahbereich lagert sie breit und detailliert. Auf ihre Einzelheiten, Terrainwellen, Wäldchen, Ortflecken, verwendet Stiepan Ivanec beträchtliche Mühe. Das, was auf seinen Bildern Landschaft ist, eine vom Menschen bewohnte Erdoberfläche, erstreckt sich bis zum Horizontsaum, wo glatt und luftig der Himmel ansetzt, diese von Stjepan Ivanec bevorzugte Suggestion himmlischer Bläue, in der betuliche Schäfchenwolken treiben. Die Erde ist fuchsbraun und der Äther ultramarin. Winterlandschaften sind seine Stärke.
 

Man hat ihn (oder besser: seine Bilder) mit Breughel verglichen, von dem er in dessen noch kein einziges Bild gesehen haben soll. Die Unterschiede der beider Maler (oder besser: ihre Bilder) sind indessen beträchtlicher als das gegebenenfalls Gemeinsame. Wie bei Breughel, wie in der altniederländischen Malerei überhaupt, ist die Bildrampe mit Figuren belebt. Wie bei den alten Niederländern ist aber die Hauptsache das, was dahinter beginnt, die Landschaft, die immerzu als eine Art Weltganzes erscheint. Anders aber als zum Beispiel der große Bauern-Breughel meidet Ivanec Scherz, Satire mitsamt tieferer Bedeutung. Er malt, was es gibt oder gegeben hat, wie er es weiß oder wie es ihm erzählt worden ist:
Zigeunerleben und Erntebräuche, Honiggewinnung durch Bienenausräucherung, wie man sich prügelt oder zuprostet.

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Für seinen Freund und Förderer Gerhard Ledic, dessen Vasenporträt er im Bild herumliegen  lässt,  hat lvanec einen  babylonischen Turm  gemalt.  Für den Bauernsohn aus der Podrawina, ist das typische Bauwerk ein gigantischer Kürbis, ein Riesendingsda in Kürbisgestalt. Rechts vorn im Bild sitzt der Maler vor der Leinwand und nimmt über Daumen und Pinsel Maß. Dieses eine Mal ist der Maler mit ins Bild gerutscht. Ansonsten bleibt er, Maßstäbler vor dem Maßstäblichen außerhalb. Die Welt ist eine Bühne, wie das quer durch die Jahrhunderte immer wieder behauptet wird. Dass die von Stjepan lvanec gemalten Ausschnitte aus den tragikomischen Schauspiel Leben jedes Mal eine wahrhafte Bühne bilden, beweisen nicht zuletzt die Baumkulissen, die das Dargestellte an den Seiten flankieren: ein ,,Tor" zwischen Baumstämmen wie beim Fußballspielen, ein Tor in die Welt hinaus, ins Zwischenstromland der Podrawina, die für Stjepan Ivanec (und nicht nur für ihn allein) die Welt schlechthin ist. Nach oben hinaus, ins blaue Gas Luft, recken die Kulissenbäume grüne oder rostigbraune Wipfel, jene für seine Bilder charakteristisch geknüpften Astknoten, die den Blick zur Signatur erübrigen.
(Otto Breicha, 1976)
 

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